Achtung fertig los
Egal, ob Krise oder nicht. Diese Kleinunternehmen geben richtig Gas. Das ist gut, denn sie machen richtig Mut. Die Zahlen an Neugründungen steigen auch bei uns. Eine kleine, nicht repräsentative Auswahl an Geschäftslokalen oder Unternehmensideen, die uns aufgefallen sind.
Einfach mal starten
Man kann die Dinge auch zerreden. Und nie umsetzen. Und immer weiterträumen.En Bas macht das nicht.
En Bas. Drunten also. Drunten, im Erdgeschoss, dort, wo bis vor noch nicht allzu langer Zeit der legendäre Goofy & Regular-Shop war, an der Moosstrasse 8, dort ist drunten. Und irgendwie auch ganz oben. Denn wenn es nach uns geht, ist das derzeit unser Lieblingsshop in Luzern. Hier scheint alles möglich zu sein. Wenn alle von hybriden Formen sprechen, die im Detailhandel und überhaupt gefragt seien – dann ist das die hybrideste Ausgestaltung eines Ladenlokals seit je. Ob es wirklich auch Gewinn abwirft, ist eine andere Frage. Aber der Reihe nach.
Im oberen Stück, drüber also, hatte Julia Müller seit Jahren ihr Atelier. Als bekannt wurde, dass Goofy & Regular dichtmachen würde, eilte sie die Treppe runter und mietete sofort die frei werdende Fläche. Zusammen mit Mas Bun alias Johnny Burn und Zoë-Anne Furler entstand zuerst der Vertrag und dann nach und nach der Blumenstrauss an Ideen.
Wir haben einen Raum, was nun? Inzwischen ist die Frage beantwortet, ansatzweise und keineswegs abschliessend. Im En Bas findet man Secondhand-Möbel, Trockenblumen, Schmuck, Mode, Fotografie und zwischendurch trinkt man auch noch einen Ingwer-Kurkuma-Shot, den Johnny zubereitet hat und der gegen den aufkommenden Pandemie-Blues ankämpfen hilft. Resilienz ist gefragt. Hier ist sie, in Shot- und in Ladenlokalform.

Stöbern lohnt sich. Auch immer wieder kommen. Denn nie ist es, wie es zuvor gewesen ist. Immer ist drunten wieder Neues zu entdecken. Mal ein schönes Dreirad für Kinder, dann wieder aussergewöhnliche Schmuck-Unikate. Neuerdings lockt Mode, die saisonübergreifend passt und jahrelang hält, weil sie nachhaltig und klug gefertigt ist. Livia Naef schneidert feminine Stücke aus hochwertigen Materialien, die perfekt zum ökologischen Zeitgeist passen. Sie hat ihr Geschäft übrigens mitten in der Pandemie gegründet – der Mut ist beeindruckend, die Mode ist es auch. Drunten ist hier vielleicht bald weiter oben.
Concept store heisst das Projekt «En Bas» in schönstem Business-Englisch. Wahrscheinlich ist es einfach der Laden von morgen, der scheinbar Unvereinbares miteinander in Verbindung bringt und erst danach mal schaut, was passiert und wer eintreten wird. Das muss man sich leisten können, klar, und dennoch ist es genau der Weg, der Unternehmen erst entstehen lässt. Mit dem Vorsatz, reich zu werden, ist noch kaum jemand erfolgreich geworden. Mit Passion und Verwegenheit, mit dem Loslaufen, ohne sich zu hundert Prozent der Konsequenzen bewusst zu sein, aber schon. Die diversen Firmengeschichten der Schweizer Leuchtturm-Unternehmen zeugen davon. Wir drücken die Daumen.

Fit auf wenig Fläche
Wenn die Menschen nicht in die Fitnessstudios gehen, dann kommt das Fitnessgerät zu ihnen. Logisch. Mitten in der Altstadt.
Nanostudios heisst das Lokal am Werklaubengässli 4 in Luzern. Eigentlich ist es nicht mehr als eine per Handy bedienbare Glastüre, ein kleiner Raum, ein paar Geräte und eine Dusche. Voilà, schon ist ist das kleinste Fitnessstudio Luzerns fertig. Robi Casagrande und Freunde stecken hinter dieser Idee, die schon vor Covid-19 geboren wurde, dann lange warten musste und jetzt so richtig loslegt. Man kann sich einwählen, ein-, zweimal die Woche zwischen 6 bis 19 Uhr auf den speziellen, aus den USA stammenden Geräten trainieren, und schon ists gut.
ReACT ist so etwas wie ein Band gewordenes Surfbrett. Hier lässt es sich üben und für den Sommer fit trimmen. Exzentrisch werden Muskelkräfte trainiert, versprochen wird ein Resultat schon nach fünf bis zehn Minuten Anwendung. Muss nicht sein, kann aber, Hauptsache, man fühlt sich besser. So geht es weiter auf der Power Plate oder am 3-D-Full-Body-Work-out, wie es so schön heisst. Wer danach mag, legt sich für zwanzig Minuten auf ein Massage-Wasserbett, das die Muskeln löst und den Stress abbaut.
Alles auf wenigen Quadratmetern Fläche und versteckt in einer Gasse, in der man alles, aber kein Fitnessangebot erwarten würde.
Clever ist die Idee, denn seit Neuestem wissen wir dank Hirnforscherinnen und Verhaltenspsychologen, dass die Nähe zu einem Work-out-Place die Motivation zum Aktivsein steigert. Es ist verblüffend, wie viel bereits wenige hundert Meter Distanzunterschied ausmachen! Dank Auswertungen von Handydaten weiss man: Der Eigenantrieb zum Besuch eines Fitnessangebots fällt ab vier Kilometern Entfernung ins Bodenlose.

Euro auf der Allmend
Das ist definitiv der Kiosk des Anstosses: Hier findet schon jetzt der Kick-off zur Europameisterschaft der Fussballer statt. Tschuttiheftli-like.
An der Horwerstrasse steht ein Kiosk, der einige Zeit leer vor sich hindämmerte. Seit Neuestem nicht mehr. Der Verein Tschuttiheftli, der seit 2008 existiert und nicht weit entfernt an der Eichwaldstrasse 25 ansässig ist, sicherte sich das kleine, strategisch imposant gelegene Geviert. Hier sind die kunstvollen Bilder und Porträts zu sehen, die seit dem 8. April wieder fleissig gesammelt und getauscht werden. Das Album besticht bereits zum siebten Mal mit sensationellen, lustigen Fussballerbildchen, die mehr sind als blosser Kinderkram. 24 Künstlerinnen und Künstler hatten sich ins Zeug gelegt und für die Partien der Euro bereitgemacht, darunter Jolanda Epprecht, Tanja Skalsky und Roland Burkard aus Luzern.
Sie alle werden damit nicht reich, doch das ist auch nicht das Ziel dieser alle zwei Jahre wiederkehrenden Kunstaktion, die weit über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt hat und von vielen kultartig verehrt wird. Der Verein ist nicht kommerziell unterwegs, im Gegenteil, er unterstützt sinnvolle Aktionen und Organisationen. Das Album mit dem Sammelfieber gehört inzwischen zu einem Fussballgrossereignis wie es das Public Viewing, die Bratwurst, das Bier und die Fangesänge tun, wobei in den pandemischen Zeiten die Bildli sicherlich den besten Score garantieren. Alles andere bleibt höchst unsicher und nicht richtig planbar – auch in einem Stadion zu Baku in Aserbaidschan, wo die Schweiz am 12. Juni zum ersten Match aufläuft. Genau so übrigens war es mit der Ausstellung der Bildli, die der Verein zweimal verschieben musste. Der Kiosk vis-à-vis des Restaurants Militärgarten war Ausweg und Rettung zugleich. Hier sind sie nun: Bildli, Plakate und Vorfreude, alles auf engstem Raum und dennoch konform, weil von aussen leicht einzublicken, auch mit Maske.

zum Lunch Pedalen
Eine Saftidee, die richtig gut ankommt. MeinRad, der mobile Essens- und Getränke-anbieter aus Luzern wächst und wächst.
Wer in der Zeit von Lockdown und Pandemie-Lähmung mit seinem Unternehmen immer mehr zulegt und danach gleich so weitermachen kann, der hat vieles richtig gemacht. Im Fall des Luzerner Produzenten und Lieferanten von frischen Säften und Biomenüs – meinrad.ch – lässt sich dies konstatieren. Stabile über 100 Menüs pro Tag bereiten Koch und Mitarbeitende pro Tag an der Voltastrasse 46 vor. Danach gehen diese mit Lastenvelos direkt zu den Bestellenden, die im besten Fall auf das Kantinen-Einerlei verzichten und sich neuerdings gleich als Geschäft in globo beim MeinRad eindecken. Da steckt eine klare Idee dahinter, lässt sich eine konsequente Geschäftsstrategie erkennen, die man dennoch leicht unterschätzt. Denn wer schon einmal an einem der mittags in der Innenstadt oder beim Mattenhof stationierten meinRad-Velos vorbeigehetzt ist, hat sich vielleicht gedacht, dass da ein verlorener Einzelner unterwegs sei, der eher der Hippiezeit als dem Unternehmertum anhänge. Doch der hat sich geirrt.
Was der gelernte Agrarwissenschafter Armin Häfliger und seine mehr als sechs Mitstreitenden anpacken, hat Hand und Fuss – und ist vor allem gesund und passt extrem gut in diese besondere Zeit. Aus der Saftpresse an der Voltastrasse rinnt unter anderem der Ingwer-Kurkuma-Saft, der grossen Anklang findet. Das vegane Mittagsmenü entsteht ebenfalls hier und wird hernach effizient, gesund, ökologisch, nach Hause oder ins Office geliefert (wo auch immer sich dieses befindet) – das entspricht dem Zeitgeist. Dass nun der Onlineauftritt noch verbessert wird und weitere Produkte dazukommen, ist nur logisch. Schritt für Schritt. Besser: Pedalentritt für Pedalentritt.