Was wir wollen
«Luzern bricht auf» verbindet verschiedenste Interessengruppen, die bedauerlicherweise bisher zu selten etwas miteinander zu tun hatten: Kultur, Wirtschaft, Bildung, Sport, Tourismus, Gastronomie, Hotels und weitere. Wo drückt der Schuh? Wohin führt der Weg aus der Pandemie-Lähmung? Ein Augenschein.
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ie letzten Monate waren für die meisten hart. Egal in welcher Branche, in welchem Bereich. Bildungsstätten hatten mit den Tücken und den Mängeln von Fernunterricht zu kämpfen. Kulturevents fanden gar nicht statt und stürzten die Veranstaltenden und Kulturschaffenden in Existenznöte. Geschlossene Gastrobetriebe mussten die letzten Reserven aufbrauchen. Organisierter Breitensport war nicht mehr möglich, worunter Vereine erheblich litten. Spitzensport fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, was das Überleben der Sportunternehmen infrage stellte.
Die Liste liesse sich beliebig erweitern, doch wir wollen den Reigen des Schreckens beenden. Vorbei. Hoffentlich. Es ist Zeit für den Aufbruch. Werden die Interessengruppen, die bisher in dieser Region zu stark für sich alleine und abgetrennt von anderen funktioniert haben, sich fortan besser absprechen und zusammen aufbrechen? «Luzern bricht auf» hat sich genau das zum Ziel gesetzt. Wohin soll die Reise gehen? Woran fehlt es? Eine Umfrage unter Einheimischen, die bei «Luzern bricht auf» an vorderster Stelle mittun:
Nachgefragt bei Gianluca Pardini, Geschäftsführer der IG Kultur, der kantonalen Branchenorganisation, welche die Interessen von 240 Kulturbetrieben vertritt:
Spüren Sie in der Kultur eine Aufbruchstimmung?
Gianluca Pardini: Grundsätzlich ja. Die Kulturschaffenden sind allgemein sicher nicht einer Lethargie verfallen. Aber sie brauchen jetzt gute Rahmenbedingungen, damit sie mehr Kraft entfalten können.
Meinen Sie damit Geld von der öffentlichen Hand?
Nein, mehr Freiheiten, mehr Flexibilität. Und mehr Miteinander. Es ist schwierig, sich innerhalb von wenigen Wochen immer wieder auf neue Vorgaben einzustellen. Die Aufwendungen gerade für nicht professionell geführte Betriebe sind enorm. Dazu kommt immer auch die finanzielle Ungewissheit. Denn Sie müssen wissen: Kein Kulturbetrieb hat seine Ausfälle der letzten zwölf Monate zu hundert Prozent kompensiert erhalten. Wenig sinnvolle Vorgaben für Veranstaltungen im Freien oder wenig Gehör für Lösungsvorschläge aus der betroffenen Branche bringen einfach nichts. Sie sind kontraproduktiv.
Wie gut ist Luzerns Kultur für den Neustart vorbereitet?
Es ist sehr vieles vorbereitet – gerade aus dieser schwierigen Zeit heraus. Kulturschaffende mussten neue Strukturen finden, sie haben teils auch gelernt, mit neuen Medien zu arbeiten, das können sie nun anwenden. Es wird neue Eventformate geben, die nicht nur auf Livestreams beruhen, sondern bisherige Grenzen überschreiten. Wir werden neue Kooperationen von Kulturinstitutionen sehen, welche spartenübergreifende Projekte lancieren. Auch startet schon bald der Luzerner Kultursommer!
Die Krise als Chance, wie es so platt heisst?
Nein. Die Krise war und ist immer noch ernst für viele Kulturschaffende, vor allem für jene, welche durch die Maschen der Unterstützungsmassnahmen fielen. Man darf aber durchaus auch die Chancen sehen. Nehmen Sie die Bar & Club Kommission Luzern, die mitten in der Krise in Luzern entstanden ist und die in anderen Städten schon länger existiert. Nach nur einer Krisensitzung haben sich zwanzig Clubs und Bars gefunden und zusammengeschlossen. Bisher waren sie nur ungenügend im Kulturbetrieb vertreten und hatten entsprechend auch keine Stimme oder nur schwache Einzelstimmen. Sie stellen aber einen kulturellen Mehrwert dar. Dieser Start passt zum Aufbruch.
Rechnen Sie mit einer schnellen Normalisierung in den Kulturbetrieben?
Das ist die Frage. Ich persönlich glaube, dass auf der Angebotsseite schnell wieder vieles vorhanden sein wird. Die Frage ist, wie die Nachfrage aussieht. Sie bereitet mir Sorgen, das bestätigen auch schweizweite Umfragen vom letzten Herbst. Wie bringen wir zum Beispiel die Menschen wieder dazu, ungehemmt und ohne Angst vor einer möglichen Ansteckung Kulturhäuser zu besuchen? Werden sie das überhaupt wieder tun wollen? Da müssen wir genau hinschauen und weiterhin Vertrauen schaffen sowie zeigen, dass die Kulturbetriebe alles Mögliche für den Komfort der Gäste tun. Das ist wesentlich, auch für das wirtschaftliche Überleben. Wir sprechen ja von einem Kulturwerkplatz, der gerade in Luzern wichtig ist und zur Attraktivität dieser Stadt viel beiträgt. Darum geht es hier: um das Revitalisieren der Kultur, die Werte in jeder Beziehung schafft.
Nachgefragt bei Andriu Cavelti, der sich zusammen mit Jan Fischer die Geschäftsstellenleitung des Vereins Sportstadt Luzern teilt. Sportstadt Luzern ist die gemeinsame Stimme der städtischen Sportvereine, vermittelt zwischen ihnen und berät diese.
Hat das Vereinsleben in den Sportvereinen zuletzt gelitten?
Andriu Cavelti: Die Einschränkungen und Einhaltung der Schutzkonzepte haben natürlich das Vereinsleben stark beeinflusst. Glücklicherweise durfte die Kinder und Jugendlichen schon früh wieder Sporttreiben. Aktuell haben wir keine Hinweise auf einen massiven Rückgang der Mitgliederzahlen. Dennoch machen wir uns natürlich Sorgen, dass es so sein könnte und freuen uns jetzt vor allem über den baldigen Aufbruch.
Was soll sich nun verändern?
Wir werden hoffentlich im Breitensport das Vereinsleben bald wieder ohne grosse Einschränkungen geniessen dürfen Wettkämpfe ohne die Beeinträchtigungen, die wir kennen, wären wichtig. Schliesslich will man nicht nur trainieren, sondern auch Ernstkämpfe bestreiten und das Geübte umsetzen. Es ist schön, wenn wieder Zuschauende dabei sein und diese Leistungen würdigen können.
Was macht den Sportverein aus?
Ein Sportverein ist ein soziales Gefäss. Hier können viele abschalten vom Alltag und sie fühlen sich unter Gleichgesinnten wohl. Das hat uns allen in den letzten Monaten gefehlt. Wir wollen einfach wieder Zeit miteinander verbringen können, Projekte aushecken und voranbringen Wettkämpfe bestreiten. Auch deshalb legen wir dieses Jahr besonders grossen Wert auf den Tag der Luzerner Sportvereine am 5. September. Auf der Allmend möchten wir diese Starre, die wir erleben, definitiv hinter uns lassen. Wir glauben fest daran, dass es möglich sein wird
Nachgefragt bei Niklaus Zeier, Präsident der Film Commission Lucerne & Central Switzerland und einer der Kerninitianten von «Luzern bricht auf»:
Was braucht Luzern zurzeit am meisten?
Niklaus Zeier: Mut, Zuversicht, Optimismus. Verbote helfen uns nach dieser Zeit und in den kommenden Jahren nicht weiter. Wir müssen wagen und ausprobieren. «Luzern bricht auf» will in den kommenden Monaten Diskussionen anschieben, die uns allen helfen werden, unser Luzern für die nächsten 25 Jahre zu denken und zu planen.
Wo würden Sie zuerst ansetzen?
Ich sehe drei Schwerpunkte: Im Tourismus müssen wir einen neuen Weg finden. Wir sollten die Lehren aus der Zeit bis 2019 mitnehmen und mit den Erfahrungen aus der Pandemie verbinden. Ein zweites Gewicht lege ich auf die Digitalisierung. Luzern darf diese Chance nicht verschlafen und sollte zum Beispiel digitale Lösungen bei den Themen Tourismus, Ökologie und Demokratie fördern. Und Drittens die notwendige Entwicklung der Innenstadt. Hier gibt es Platz für neue Arbeitsplätze.
Was meinen Sie damit konkret?
In der Innenstadt ballen sich auf der Fläche von etwa einem Quadratkilometer viele Probleme. Wir stehen vor räumlichen Herausforderungen und müssen die vielen Ansprüche ordnen und priorisieren. Der Durchgangsbahnhof und freiwerdende Flächen, auch durch die Verlegung der kantonalen Verwaltung, eröffnen neue Möglichkeiten. Dabei ist zu beachten: Auch im Zentrum braucht es Freiräume.
Wie soll man das gedanklich angehen?
Natürlich braucht es den gezielten Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft, der aber nicht zur langwierigen Umsetzung von demokratischen Entscheiden führen darf, wie etwa bei der Bahnhofstrasse geschehen. Zusätzlich gilt es das Potenzial unserer Hochschulen zu nutzen. Sie können Labor zur Entwicklung einer Smart Region sein. Wir müssen Zusammenhänge erkennen und diskutieren, und wir dürfen nicht im Einzelfall verharren.
DAS IST «LUZERN BRICHT AUF»
In «Luzern bricht auf» machen wachsende Zahl an Gruppierungen mit. Derzeit sind dies: Die IG Kultur, das Tourismus Forum Luzern, die Sportstadt Luzern, HotellerieSuisse Region Zentralschweiz Luzern, City Vereinigung Luzern und weitere. In der wachsenden, so genannten Spurgruppe wirken mit: Niklaus Zeier (Präsident Film Commission Lucerne & Central Switzerland), Marcel Perren (Tourismusdirektor Luzern Tourismus AG), Gianluca Pardini (Geschäftsführer IG Kultur), Nora Murer (Wasser für Wasser), Florian Flohr (Theologe), AdrianLupart (Marktbereichsleiter Privat- und Gewerbekunden bei der Luzerner Kantonalbank), LauraBreitschmid (Präsidentin IG Kultur), Urs W. Studer,Andriu Cavelti und Jan Fischer (Sportstadt Luzern) und BrunoAffentranger (Verleger STADTSICHT).