ENTSCHIEDEN WIRD IN ASIEN – ABER WIR KÖNNEN AUSGESTALTEN

In Luzern hat das politische Ausmarchen einer Tourismus-Strategie begonnen. Wenn Sie nun denken, Sie könnten den Tourismus in der Zentralschweiz schrumpfen lassen, dann liegen Sie doppelt falsch. Unser Denken muss in eine andere Richtung gehen und das Vorbild des Flughafens nutzen.

TEXT Bruno Affentranger
Lesezeit 5 Minuten
Wer einen Flughafen baut, baut ihn für die Zeit in zwanzig Jahren. Deshalb die Frage an den Chef des Flughafens:Mit welchen Touristenzahlen rechnen Sie?

Luzern hat ein Luxusproblem. Luzern hat eine gut gehende Tourismusindustrie. Seit Jahrzehnten rangieren die Stadt und die Reiseziele in der Zentralschweiz ganz vorne in den Ranglisten. In jenen der weltweit führenden Reiseveranstalter, der Reisemedien, der Statistiker und in der Realität. Die jährlichen Zuwächse an Übernachtungs- und Besucherzahlen sind dafür Beweis genug. Keine Region in der Schweiz legt so zu wie die Zentralschweiz. Dennoch herrscht nicht eitel Freude. Das Modewort «Overtourism» – das verkürzt die Überforderung von Infrastruktur und Einheimischen durch Reisende meint – macht auch bei uns die Runde. Es gipfelt in den Fragen: Wann ist es zu viel? Wie schafft man es, eine richtige Balance zwischen Einheimischen und Touristen herzustellen?

Darüber werden in den nächsten Wochen und Monaten die Politikerinnen und Politiker in der Stadt Luzern kontrovers diskutieren. Sie brüten über einer Tourismus-Strategie 2030, die der Stadtrat auf ihren Wunsch vorlegen muss. Ob heute bereits die Grenze des Erträglichen erreicht ist, darf mit Blick auf die grossen Destinationen in der Welt bezweifelt werden. Wenige Anzeichen deuten darauf hin. 

Eher wird zu entscheiden sein, wie grössere Besucherzahlen als heute gut, nachhaltig und für alle Beteiligten erträglich bewältigt werden können. Die Wachstumsaussichten im weltweiten Tourismus weisen uns an, was uns wirklich umtreiben sollte. Der Flughafen Zürich dient als früher Indikator. Er ist das Tor zur Schweiz und muss sich vorab für eine weiterhin stark zunehmende Touristenschar aus Asien wappnen (siehe Interview mit Stephan Widrig, CEO der Flughafen AG, auf der gegenüberliegenden Seite). Was der Flughafen tut, spüren wir in der Zentralschweiz – ob wir wollen oder nicht.

Treiber für alles Wachstum sind – wie stets – China und sein wachsender Mittelstand. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey über den weltweiten Tourismus prognostiziert bereits für 2020 die Zahl von 160 Millionen aus dem eigenen Land herausreisender Chinesinnen und Chinesen. Das wäre gegenüber 2016 eine Zunahme um rund 25 Millionen Menschen. Einige werden den Weg nach
Luzern finden.

Schrumpfen in Luzern? Geht nicht. Es wäre die historische Abkehr von einer Industrie, die inzwischen überall ihre Spuren hinterlässt. Auch dort, wo wir sie gar nicht sehen oder spüren.

Nicht vergessen werden darf: Es geht um viel mehr, als um die Wachstumsfrage einer Stadt. Die Diskussion dreht sich um die Zukunft der ganzen Zentralschweiz. Luzern mit den engen städtischen Gemeindegrenzen ist nur ein reputativ wichtiges, historisch aus dem 19. Jahrhundert erwachsenes Zentrum. Luzern ist die Marke. Dahinter verbirgt sich eine Region. Hier kann der Flughafen Zürich erneut als Fingerzeig dienen. 

Er ist ein Hub, ein Drehkreuz. Der Flughafen ist nicht das Ziel, sondern das Tor zu und von einer Reise. 

Genauso könnten wir künftig Luzern, dieses Zentrum mit Kapellbrücke, Löwendenkmal, KKL Luzern, Schwanenplatz und Schiffen verstehen. Luzern ist das Basislager, von dem aus die Berge und die Seen erkundbar sind. Diese Ausrichtung wäre eine Besinnung auf das historische Erbe, als Reisende nicht ausschliesslich die städtischen Monumente und die Zulieferer der Tourismusindustrie besuchten, sondern den Luzerner Hub nutzten, um bequemen Zugang zur Rigi zu erhalten. Heute locken viele weitere Destinationen. Wäre das keine logische Entwicklung, die den oft zitierten qualitativen Tourismus stärken würde?

Aber wir greifen vor. Was meint der Flughafenchef dazu? Und wie sieht der oberste Touristiker der Zentralschweiz die Zukunft der Region? Eröffnen wir die Diskussion.

Was wird in zehn Jahren sein? Was schon in zwei? Noch mehr Individualität? Noch weniger steuerbare Touristen? Welchen Tourismus wollen wir bei uns? Und vor allem wo?