Die Energie-spender

Ein kleines Luzerner Unternehmen mischt im hartumkämpften Getränkemarkt tüchtig mit. Dabei spielen Mate, das kultische Nationalgetränk Argentiniens und Paraguays, und ein fokussiertes Marketing die entscheidende Rolle.

TEXT ANgel Gonzalo
Lesezeit 4 Minuten
CEO Karl Schnyder neben dem stolzen «El Tony» am Sitz des Unternehmens in Ebikon.

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as Luzerner Unternehmen intelligentfood Schweiz AG wurde zwar erst vor zwölf Jahren gegründet, doch seine Geschichte reicht im Grunde fast 100 Jahre zurück. Es war die bittere Notwendigkeit, die den Solothurner Alphons «Alfonso» Scherer dazu bewog, um 1920 nach Argentinien auszuwandern, um – wie viele Landsleute dannzumal – das Glück ausserhalb der Schweizer Grenzen zu suchen. Der studierte Ing. Agronom gelangte den Fluss Paranà aufwärts in Richtung Norden ins kleine Dorf Puerto Esperanza an der Grenze zu Paraguay, um sich der Kultivierung des Urwalds anzunehmen. Dort lernte er das Argentinische und Paraguaynische Nationalgetränk Mate kennen und schätzen. Der ursprünglich im Urwald wild wachsende Mate Strauch aus der Gattung der Stechpalmen (Ilex paraguariensis) weckte das Interesse des Schweizer Agronomen auf Anhieb. Der nunmehr von den Einheimischen ehrfurchtsvoll «Don Alfonso» genannte Scherer «domestizierte» bereits wenige Jahre nach seiner Ankunft die Pflanze und kultivierte diese fortan auf seiner Farm. Was hat dies nun mit dem Luzerner Unternehmen zu tun? Nun, Alfonso Scherer ist der Grossvater von Karl Schnyder (42), der seit einiger Zeit als CEO von intelligentfood das Unternehmen leitet. Die Familien-Farm «Puerto Mate» dient dem Unternehmen heute als Rohstofflieferant für hochwertigen Mate-Tee.

Der Luzerner Roland von Moos ist der Gründer von intelligentfood. Nach über 25 Jahren als Manager in internationalen Konzernen und ehemaliger Europa-Chef von Red Bull fasste er sich 2008 ans Herz und gründete aus eigenem Antrieb das Unternehmen mit der Intention, gesunde Energiegetränke auf der Basis von Malz und Früchten, aber ohne chemische Zusatzstoffe zu produzieren. Er brachte den Energydrink namens «IXSO» 2010 auf den Markt. Weil die hochstehenden Ziele nicht erreicht wurden, verkaufte von Moos die Marke mit Rezeptur und Konzept an einen österreichischen Partner. Heute ist das Produkt nur noch in Österreich erhältlich. Aus diesem Erlös entwickelte intelligentfood die Marke «MONDAY», die ironischerweise als konventionelles Energy-Getränk dem Unternehmen das Überleben sicherte und sich einen Platz im hart umkämpften Energy-Getränkemarkt eroberte. Der Beginn war harzig, zehrte gleichermassen bedrohlich an der Energie und dem Kapital des mutigen Unternehmers, der es gewagt hatte, in den Chor der Getränkegiganten – wie etwa Red Bull – einzustimmen.

Neuer Energieschub durch Misserfolg
Allen Widrigkeiten zum Trotz: Roland von Moos blieb beharrlich. Mit den Learnings aus dem Misserfolg der Marke «IXSO» tüftelte das Unternehmen ständig an neuen Rezepturen und fokussierte sich schliesslich auf den Mate-Tee mit seinen natürlichen Eigenschaften als Energiespender und Wachmacher. Hier kommt nun der HSG-Absolvent Karl Schnyder ins Spiel, der mehrere Jahre als ABB-Manager tätig war, sich aber immer wieder mit dem Aufbau von Start-up-Unternehmen beschäftigte. Nach der Begegnung mit Roland von Moos wusste Schnyder, dass er für sich das Richtige gefunden hatte. Mate erfreute sich als trendiges Getränk vorab in Deutschland steigender Beliebtheit. Diese Entwicklung liess die Schweiz nicht aussen vor. Dabei kam dem Unternehmen die familiär bedingte Affinität zum Mate-Tee von Karl Schnyder sehr gelegen. Den kostbaren Rohstoff bezieht das Unternehmen seitdem exklusiv aus Puerto Esperanza, sinnbildlich wie wörtlich ein «Hafen der Hoffnung» für das kleine Unternehmen. Die fein gemahlenen Blätter des Matestrauches werden in Österreich während 14 Stunden kalt aufgebrüht, und der Energie spendende und antioxidative Saft für intelligentfood abgefüllt. Mit der Marke «El Tony» ist dem Unternehmen ein Coup gelungen. Das kohlensäurehaltige Getränk hat auf Anhieb Zugang in Bars und Restaurants gefunden und geniesst fast schon «Kultstatus» in der Party-Stadt Luzern und zunehmend auch darüber hinaus. Daraufhin sind weitere Produkte hinzugekommen, wie etwa «Puerto Mate», ein Eistee auf Matebasis für den Heimkonsum. Das Unternehmen hat den Sprung in die Regale von Migros, Coop und Manor und Spar geschafft, was im Detailhandel so etwas wie ein Ritterschlag darstellt, besonders für ein derart kleines Unternehmen. Das clevere Marketing von intelligentfood richtet sich an eine vorwiegend junge Klientel, vorab Studentinnen und Studenten, die ab und dann einen Energiekick oder eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit benötigen. Es sind kritische Konsumenten, die Authentizität schätzen und auch wollen. So sind die Getränke von intelligentfood allesamt frei von chemischen Zusatzstoffen und zuckerreduziert. Diese Eigenschaften zahlen sich nun aus. Auch der unternehmerische Mut tut es, was in diesen schwierigen Corona-Zeiten als nachahmenswertes Beispiel gelten darf. Nach 12 Jahren und diversen Krisen ist das Unternehmen nun auf gutem Weg. Mittlerweile sind 13 Mitarbeitende auf der Lohnliste. Und neben Roland von Moos und Karl Schnyder sind jüngst auch weitere Schweizer Investoren dazugekommen. Das sorgt bestimmt auch für einen weiteren Energieschub.

Und wie geht es jetzt weiter?

Wer durch die Innenstadt Luzerns schlendert, dem fallen vor allem die freistehenden Erdgeschossflächen auf. Ob an der Pilatusstrasse oder an der Hertensteinstrasse, ob in der Neu- oder in der Altstadt, die Zahl der gähnend leeren Geschäftslokalen scheint zuzunehmen. Zugegeben, das ist eine subjektive Feststellung. Aber es ist die einzige, die sich derzeit machen lässt, weil schlicht die Grunddaten fehlen. Diese braucht es. Wir müssen wissen, wie sich die Immobiliensituation entwickelt. Wir sollten früh erkennen, was um uns herum geschieht. Das Vorhaben eines detaillierten Ladenspiegels der City-Vereinigung, die unserem Magazin als befreundete Organisation nahesteht, ist deshalb mehr als nur sinnvoll. Es ist dringend notwendig.

Ebenso wichtig sind Initiativen wie jene der Wirtschaftsförderung der Kantons Luzern, der Industrie- und Handelskammer sowie der Zentralschweizer Kantone: vorwaertsaufwaerts.ch heisst sie und versammelt Mut machende, konkrete Geschäftsfälle, Unternehmen, Menschen. Es lohnt sich ein Besuch auf der entsprechenden Website (vorwaertsaufwaerts.ch). Man lernt, was für einem selber erfolgsversprechend sein könnte. Darum geht es: Wer jetzt die Augen ergeben schliesst und sich alleine in die Arme der Subventionäre stürzt, der verpasst womöglich den günstigen Moment, sein Geschäft oder sich selber neu auszurichten oder auszubauen. Selten ist er so gut gewesen wie jetzt. Es bietet sich die Gelegenheit, in einem schwierigen, manchmal mental belastenden Umfeld mit viel Eigenverantwortung die eigenen Fähigkeiten auszuspielen. Leicht ist das nicht. Ob das kleine oder grosse Schritte sind, spielt hier keine Rolle. Jetzt kann man das tun, was man schon lange tun wollte. Oder das, das man nie zu tun wagte. Es sind spannende Zeiten.

Vorwärts, aufwärts. Kein schlechter Slogan. Er fasst es zusammen.