Ketchup im Blut
Wer ist der Mann, der selber in den McDonald’s-Filialen Hand anlegt? Hinter dem Gesicht verbirgt sich ein wildes Leben, das erzählt werden muss. Von einem Troubleshooter in Italien, Aufbauer in der Ukraine und Aufräumer in den USA.
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it 61 Jahren und einer respektablen Karriere als erfahrener Manager könnte sich Karl Fritz längst auf den Lorbeeren ausruhen. Bloss, das ist nicht sein Ding. Heute führt der gebürtige Österreicher und Wahlschweizer als Unternehmer die zwei McDonald’s Restaurants in Luzern sowie weitere sechs in der Deutschen Schweiz. Dabei ist er untypischerweise den Weg vom international operierenden Manager zum Franchisenehmer in der beschaulichen Schweiz gelaufen. Und dies aus Überzeugung.
Aufstrebendes Osteuropa
Wenn Karl Fritz in seinem McDonald’s Restaurant vis-à-vis vom Luzerner Bahnhof zu erzählen beginnt, wie alles begann, gerät er ins Schwärmen. Anfang der 1990er Jahre, als der eiserne Vorhang fiel, herrschte so etwas wie Goldgräberstimmung in Osteuropa. In dieser Zeit arbeitete der Betriebswirt als Finanzmanager für den Telekommunikations- und Netzwerkausrüster Alcatel. Der Wiener hatte bereits Erfahrungen mit osteuropäischen Märkten gesammelt. Die traditionellen Banden zwischen Österreich und Osteuropa kamen ihm zugute: «Wir waren als Österreicher beliebt in Osteuropa.» So hörte er interessiert zu, als er von einem Headhunter kontaktiert wurde, zumal sich viele amerikanische Unternehmen in Österreich ansiedelten, ein Land, das als Sprungbrett für die Märkte in Richtung Osten geradezu en vogue geriet. Als Finanzexperte hatte Karl Fritz gute Karten in der Hand, und als McDonald’s einen Finanzchef für die Expansion nach Osten suchte, zögerte er nicht lange. Lediglich mit einem Koffer in der Hand reiste der frischgebackene McDonald’s-Manager im September 1996 in die Ukraine nach Kiev. Und just neun Monate später, im Mai 1997, erblickten drei McDonald’s-Restaurants das Licht der ukrainischen Welt. Nur eineinhalb Jahre später waren es bereits 35. Dieser Erfolg blieb der Konzernzentrale in Chicago nicht verborgen. Karl Fritz stiess in die operative Leitung als Regionalmanager Osteuropa vor und leitete fortan die unternehmerische Entwicklung in mehreren Ländern jenseits des ehemaligen eisernen Vorhangs. «Es war eine spannende, unheimlich dynamische und oft hektische Aufgabe», erinnert sich Karl Fritz zurück an eine Zeit, in welcher er an die 200 Tage pro Jahr mit dem Flugzeug unterwegs war.
Nach Chicago geholt
Im Jahr 2001 wurde er nach Chicago in die Konzernzentrale gerufen und arbeitete in der Unternehmensentwicklung als Projektleiter Diversifikation. In dieser Rolle oft Hand in Hand mit Beratungsfirmen wie McKinsey und Boston Consulting, stets auf der Spur nach attraktiven Übernahmeobjekten in der schnelllebigen Fastfood-Branche. Gerne erinnert er sich an die unterschiedlichen Beteiligungen, bei denen er mitwirken durfte. McDonalds übernahm unter anderen Unternehmen wie etwa die Mexican-Food-Kette «Chipotle» oder «Pret a Manger», an deren Veräusserung der Fast-Food-Riese saftige Gewinne einstrich. Im Jahr 2002 zog es den Manager zurück nach Europa. Er landete als Troubleshooter im komplexen und sanierungsbedürftigen Markt Italiens. Dort leitete er die Geschicke von insgesamt 400 Restaurants und 120 Franchisenehmer. Als Managing Director stellte er sich dank seines dichten Netzwerks in der McDonald’s-Welt ein junges Team aus ihm bekannten Mitarbeitenden zusammen und leitete mit ihnen eine Restrukturierung ein, die sechs Jahre dauern sollte. In dieser Zeit wurden 60 Betriebe geschlossen und 120 neue eröffnet. So war auch hier seine Mission erfolgreich beendet. Der Nomade zog weiter. Diesmal in die damalige Europa-Zentrale von McDonald’s in Genf.
Die Schweiz als Wahlheimat
2008, im Alter von 49 Jahren, wartete eine weitere Herkulesaufgabe auf den umtriebigen Manager. Als Chef Supply Officer Europe (Einkaufschef) führte er über 200 Mitarbeitende und verantwortete ein jährliches Einkaufsvolumen von über 5,5 Milliarden Franken. Während sechs Jahren optimierte er die Lieferketten in einem Labyrinth aus unterschiedlichsten Lieferanten sowie komplizierten Regulatorien in den Lebensmittelgesetzen verschiedenster Länder. Diese Erfahrung schärfte sein Profil als Allround-Manager gewissermassen. 2014, im Alter von 55 Jahren, stand er vor der Wahl, wie es weitergehen sollte. Sein Sohn, mittlerweile 21 Jahre alt, und seine Frau fühlten sich wohl in der beschaulichen Schweiz, die seit mehreren Jahren Mittelpunkt der Familie war. Als Berater hätte er beste Möglichkeiten gehabt, einen Rücktritt in Raten einzuleiten. Was ihm noch fehlte, war im Grunde die eigene Erfahrung als Unternehmer, als Franchiseunternehmer. Auch hier zögerte der Österreicher nicht lange, zu reizvoll erschien ihm die Aufgabe, diesmal an vorderster Front, das Brutzeln der Hamburger in Ohr und Nase in unmittelbarer Nähe. Heute besitzt er die zwei McDonald’s-Restaurants in Luzern sowie weitere sechs in Affoltern a. A. (2), Baar, Glarus, Sihlbrugg und Wädenswil. Seine Chefin in der Schweiz, Aglaë Strachwitz, ist ironischerweise eine Österreicherin. Karl Fritz ist sich nicht zu schade, in seinen Lokalen selbst Hand anzulegen, wenn es notwendig ist. Dafür liebt er nach eigener Aussage die Marke zu sehr. Ketchup fliesst definitiv in seinen Adern.