«Digital Trust» ist alles – Vertrauen entscheidet
In der analogen Welt war es schon nicht einfach. In der digitalen wird es unübersichtlich: Wem soll man vertrauen, auf wen hören? Ein Bericht aus der Zone der wachsenden Unsicherheit.
Es soll Menschen geben, die verlieben sich in ihren Avatar. Sie erwachen mit der Stimme, die sie aus dem Mobile anspricht. Sie hören das Säuseln, und sie gieren nach Zuspruch und Dienstfertigkeiten. Endlich ist da jemand, der oder die jeden Wunsch abliest, bevor man ihn selbst überhaupt hat oder kennt. Siri, das menschenähnliche Begleitangebot aus dem Netz, das inzwischen auf künstlicher Intelligenz (KI) gestützt arbeitet, ist eine derartige Begleiterin, die sich durchgesetzt hat und jeden Tag von hunderten Millionen Menschen genutzt wird. Mit jeder Aufgabe lernt das System dazu. Der Escort-Service des Digitalen wird mächtiger. Siri von Apple oder Alexa von Amazon sind nur zwei Beispiele dafür.
Man kann das gut finden und davon profitieren. Richtig angewendet, vereinfachen die Dienste in der Tat das Leben (und das Arbeiten auch). Wer sich jedoch verliebt hat, ist in Gefahr. Das blosse Vorhandensein oder der Einsatz von KI können starke Auswirkungen auf die Realität haben und beeinflussen, wie Menschen die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren. KI-Systeme haben das Potential, schnell zu lernen und emotionale Schwächen ihrer Anwenderinnen und Anwender auszunutzen.
Es ist wie stets: Auch diese Medaille hat zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man immer zwei Lager antrifft, wenn man über KI spricht. Auf der einen Seite stehen die Zuversichtlichen, auf der anderen die Skeptiker. Technologie kann in der Tat die individuellen Service-Erlebnisse ermöglichen und Berufstätige von monotonen, immer wiederkehrenden Aufgaben entlasten. Man denke an die Vision der selbstfahrenden Autos, die, einmal in Betrieb, uns Zeit für andere Dinge schaffen werden. Oder an die Roboter, die den Personalmangel vor allem in den überalternden westlichen und fernöstlichen Industriestaaten dereinst lindern werden. Technologie kann aber auch Angst machen: Man denkt dann an Überwachung, an Betrug, Finanzkriminalität oder Datendiebstahl, auch an das eigene, emotionale Verschwinden im Netz, das Auflösen des Selbst mit all seinen Sinnen und Gefühlen im Digitalen.
«Digital World» würde erstarren
Den wahrscheinlich richtigen Mittelweg zu finden, ist nicht einfach. Aber es gibt einen Schlüssel dafür: Vertrauen suchen und finden. «Digital Trust» heisst das Zauberwort. Nur, wem soll man im Netz und warum genau vertrauen?
Von welchem Vertrauen reden wir? Es geht um das Vertrauen, das es Organisationen und Einzelpersonen ermöglicht, Online-Transaktionen mit einer Gewissheit durchzuführen. Diese Gewissheit bezieht sich darauf, dass ihre von Maschinen in der digitalen Welt aufgezeichneten Fussabdrücke sicher sind. Ohne digitales Vertrauen existiert kein Austausch von Daten, kein Offenlegen, kein Vergleichen – «Digital World» würde erstarren.
Natürlich gibt es Rezepte für das Schaffen von Vertrauen. Aus einem Handbuch zitiert, lauten diese ungefähr so:
– Kommunizieren Sie klar
– Schützen Sie Kundendaten und informieren Sie Ihre Kunden darüber
– Fördern Sie Kundenrezensionen
– Erlauben Sie Ihren Kunden, sich abzumelden
– Bieten Sie ein sicheres Einkaufserlebnis
– Bieten Sie pünktlichen Service
– Halten Sie den Online-Inhalt aktuell
Selbstverständlich sind Unternehmen vertrauensvoller, wenn sie ihren Usern zeigen, dass sie mit ihren Online-Inhalten Sicherheit, Datenschutz, Zuverlässigkeit und Datenethik bieten. Wenn eine Person sich entscheidet, das Produkt eines Unternehmens zu nutzen, bestätigt sie ihr digitales Vertrauen in das Unternehmen. Vertrauen ist die Grundlage für jede funktionierende Beziehung – sowohl in der analogen als auch der digitalen Welt.
Doch damit ist es nicht getan. Leider kennen die «schlechten» Akteure all diese Rezepte ebenso. Und manipulative Motive bilden nicht selten den echten Antrieb für menschenähnliche, KI-gestützte Begleitmaschinen und Algo-rithmen.
Wappnen wir uns
Jemand da draussen will uns etwas tun oder kaufen lassen. Das ist nicht schön und ein täglicher Ärger. Es ist, als ob man durch einen digitalen Bazar spazieren und sich von vielen einmaligen Angeboten berieseln lassen müsste. Dagegen können wir uns mit Selbsterkenntnissen, mit einer gewachsenen Renitenz dank einer dereinst angepassten und ausgebauten Medien- und Digital-Ausbildung, mit Diskussionen innerhalb von Familien oder im Freundeskreis wappnen.
Und doch können wir nicht einfach gelernte Vertrauensmodelle aus der analogen in die digitale Welt umlegen. Es geht schon längst nicht mehr allein um die Beziehungen zwischen Menschen, sondern um jene zwischen Menschen und Maschinen, Maschinen und Maschinen, Maschinen und Systemen. Es wird unübersichtlicher. Wenn mein Laufschuh mit meiner Versicherung kommuniziert, habe ich damit nichts zu tun. Und doch können Missbräuche oder Fehler geschehen.
Hier muss die stärker einsetzende Diskussion um «Digital Trust» ansetzen. Wer kann mit welchen Gesetzen einwirken? Anhand welcher Profile lassen sich digitale Missbräuche frühzeitig erkennen? Wer sagt mir, dass ich gefährdet bin? Wem kann ich vertrauen?
Die Diskussion ist eröffnet. digitalswitzerland Zentralschweiz will dazu in den kommenden Monaten und Jahren einen Beitrag leisten. Sowohl in öffentlichen als auch in geschlossenen Veranstaltungen sollen die Mittel und Wege gefunden werden. Erstmals am Digitaltag am 7. November (von 12.00 bis 18.00 Uhr) im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern.
Anmeldungen sind noch möglich.