Auf einem langen Weg
Die Stadt Luzern hat sich exakt vor der Coronazeit selbst den Auftrag gegeben, digital zu werden. Damit ist sie Vorreiterin in der Zentralschweiz. Ein Bericht aus der Werkstatt, in der es herausfordernd ist.
4532 Kilometer. So weit müsste man fahren, würde man von Luzern nach Lagos in die grösste Stadt Nigerias gelangen wollen.
4532 Kilometer. So viele Kilometer an Leitungen sind in der Stadt Luzern per heute vermessen, überwacht und als Datensammlung abgelegt. Die Stadt erfasst den Leitungskataster nicht nur, sondern bewirtschaftet die Übersicht wie ein Asset-Management-System. Sie verfolgt permanent das Alter und den Zustand der Leitungen und macht den Abgleich und die Koordination mit Strassenbauvorhaben und anderen Projekten.
Über die Plattform opendata.swiss werden diverse gesammelten Daten kostenlos und von allen Interessierten auch ausserhalb des Stadthauses ohne Einschränkungen benutzbar. Damit zählt dieses Wissen per Definition zu Open Government Data (OGD). So werden allgemein frei zugängliche und weiterverwendbare Verwaltungsdaten bezeichnet, die von allen Interessierten gemäss Nutzungsbestimmungen gebraucht, weiterverbreitet und weiterverwendet werden dürfen. Damit wollen die Stadt Luzern und viele andere mehr Transparenz, Partizipation und Kollaboration schaffen.
Doch dabei bleibt es nicht. Viel mehr Daten stehen bereits zur Verfügung (siehe Box: «Die vermessene Stadt»). Die Stadt Luzern hat sich 2019 auf die Fahne geschrieben, sich zu digitalisieren. Sich und die Stadt selbst, soweit dies möglich ist. Man spricht in diesem Fall von einer Digitalstrategie, die sich der digitalen Transformation, also der Umwandlung, widmet. Das ist kein leichtes Unterfangen, weil es verschiedene Felder beinhaltet und vor allem innerhalb der Stadt ein typisches Querschnittthema ist, genauso wie zum Beispiel Sicherheit oder Mobilität es sind: Alles und alle sind von der Digitalisierung betroffen (siehe Box «Was will die Stadt Luzern digitalisieren?»). Urs Truttmann, Chief Digital Officer oder kurz CDO der Stadt Luzern, und sein Team sind nicht zu beneiden ab der Komplexität. Und gleichzeitig haben sie die spannendste Aufgabe innerhalb der Mauern der Verwaltung: Sie sollen die Stadt in die Moderne lotsen.
Wie gross ist die gemeinsame Schnittmenge?
Als Urs Truttmann sich erstmals mit den Digitalisierungsthemen befasste, zeichnete er kurzerhand und spontan eine Skizze. Sie erklärt noch heute und fünf Jahre später anschaulich, weshalb die Aufgabe seines Teams kompliziert ist (siehe Illustration). Sie verdeutlicht auch, dass digitale Transformation nicht an den Mauern der Stadtverwaltung endet – Smart City heisst dieses weite Feld, das direkt daran anschliesst. So ist Urs Truttmanns Skizze auch zu verstehen: Sie zeichnet die zwei Welten «Digitale Stadt Luzern» und «Smart City», die sich gegenseitig beeinflussen und überschneiden. In dieser gemeinsamen Schnittmenge liegen denn auch das grösste Potenzial und der Antrieb für das städtische Digital-Team. Dieses gemeinsame Feld der Aktivitäten und Dienstleistungen soll beständig wachsen.
Die Schwierigkeit dabei: Nicht alles liegt in der Hand der Stadt und ihrer Digitalisierungsvorhut. Gerade Themen wie der «digitale Zwilling» der Stadt Luzern oder ein allumfassendes Onlineportal für Dienstleistungen der öffentlichen Hand sind, ohne eine weit über die Stadt hinausgehende Zusammenarbeit nicht zu schaffen. Kanton, Gemeinden und die Stadt Luzern müssen sich in diesen Thematiken gemeinsam auf den Weg machen. Das ist wiederum angesichts der gewachsenen Strukturen – man plant nicht auf der grünen Wiese, sondern trifft bereits fertige Abteilungs- und Datentraditionen – schwierig zu koordinieren und durchzusetzen.

Luzern soll glänzen
Doch der Reihe nach und zurück zur Stadt Luzern. Das Zusammenspiel zwischen Urs Truttmanns zwei skizzierten Kreisen, der Verwaltungsdigitalisierung und der Smart City, lässt sich in vier ausgewählten Themenbereichen sehr gut darstellen. Die zwei ersten sind durch die Stadt Luzern vorwärtszubringen, die zwei letzten brauchen starke Partner.
→ OGD, Open Government Data, beginnt innerhalb der Verwaltung und endet in der Smart City: Die städtischen Dienstabteilungen erfassen Geodaten und führen sie in sogenannte Geoapplikationen. Darin eingeschlossen sind Metadaten. Der Baumkataster der Stadt Luzern, der 11 372 Bäume erfasst hat und in dem Buch über Zustand, Geschichte und Weiteres geführt wird, ist eines dieser Beispiele. Das Geoinformationszentrum stellt hernach sicher, dass die Daten für öffentliche Publikationen geeignet sind. Über die bereits erwähnte Bundesplattform opendata.swiss ist danach der Baumkataster einseh- und nutzbar, um beim gewählten Beispiel zu bleiben.
An diesem Punkt ist der Datensatz vom reinen Verwaltungsgebrauch in die Welt der «Smart Cities» übergegangen. Kostenlos und ohne Einschränkungen kann er angewendet werden. Als Resultat wird die Stadt Luzern transparent und zeigt klar an, welche Daten von ihr zu erwarten sind.
→ Schadenmelder «Luzern glänzt»: Hier können alle mitmachen, ob sie von inn<erhalb oder ausserhalb der Verwaltung stammen, ist nicht von Belang. Man meldet Mängel oder Schäden via Web an die Stadt. Dort werden Schadenmeldungen der zuständigen Stelle zugewiesen und von Mitarbeitenden von Stadt-grün oder Strasseninspektorat behoben. Zum Schluss teilt die Stadt die getroffenen oder zu treffenden Massnahmen über den Schadensmelder «Luzern glänzt» mit.
Der Nutzen in der «Smart City» ist offensichtlich. Die Bevölkerung als Inhaberin der Strassen nimmt am Unterhalt im übertragenen Sinn teil. Und sie hilft mit, die Aktion «Luzern glänzt» erfolgreich zu machen.
→ Service-Portal: Hier ist man noch etwas von der Umsetzung entfernt. Grund: Die Stadt allein kann und will es nicht, digital betrachtet machen Gemeindegrenzen oder eine geografische Begrenzung von Dienstleistungsabfragen keinen Sinn. Intern müssen diverse Fachapplikationen bewirtschaftet werden, damit das Service-Portal dereinst automatisiert funktioniert. Der Vorteil in einer grösser, über Luzern hinaus gedachten «Smart City» ist offenkundig: Sämtliche Verwaltungsdienstleistungen können an 7 Tagen und während 24 Stunden durch alle Interessierten automatisiert genutzt werden. Öffnungszeiten? Stress wegen Schalterschluss? Vergessen. Aber das ist noch Zukunftsmusik, soll aber mittels Proof of Concept zusammen mit dem VLG und Kanton noch in diesem Jahr getestet werden.
→ Ebenso erst in der Zukunft liegt der «digitale Zwilling» der Stadt Luzern, der Sinn macht, wenn das bestehende virtuelle 3D-Stadtmodell mit jeglichen erdenklichen Daten für Planungen, Visualisierungen und Simulationen ergänzt wird und damit einen Mehrwert generiert. Dies sowohl auf verwaltungs- wie auch auf politischer Ebene. Es lässt sich einfach besser an Städten oder ganzen Siedlungsgebieten planen und bauen, wenn sie als 3D-Modelle abgebildet sind. Verwaltungsintern können Kantone, Stadt und Gemeinden mit einem «digitalen Zwilling» auf Fakten basierend entscheiden und zuvor praktisch in echt Projekte durchgehen, austesten und die oft nicht zur Gänze vorhersehbaren Folgen berechnen.
Das Schöne daran: Was die Stadt könnte, könnte dereinst die Bevölkerung auch. Doch der Weg dahin ist noch weit.
Das Fazit, das nach einem ersten Werkstatteinblick in die Ausführungen der stadtluzernischen Digitalstrategie gezogen werden kann, ist dieses: Luzern ist aufeinem langen Weg. Die Reise zu einem «smarten Luzern» ist kein Sprint, sondern ein Ultramarathon mit vielen Kilometern und Höhenmetern. Ausserdem muss und wird die gemeinsame Schnittmenge der Welten «Verwaltungsdigitalisierung» und «Smart City» in dieser Zeit immer grösser werden. Ein Interesse da-ran haben alle. Wirklich alle.
Die vermessene Stadt
Wer im Open-Data-Bereich die Stadt Luzern sucht, wird schnell fündig. Hier sind viele intelligente Einzeldaten miteinander verknüpft und aufgelistet. Zum Beispiel diese:
11 372
Bäume in der Verantwortung der Stadt
1476
Sitzbänke
9530
Strassenbeleuchtungen
43
Lichtsignalanlagen
(22 Messstellen mit 78 Messquerschnitten)
Anzahl Gebäude auf Stadtgebiet:
10 535
Objekte gemäss amtlicher Vermessung
13 600
3D-Gebäude/-Objekte (inklusive Einzelobjekte wie Brücken,
unterirdische Gebäude, Unterstände)
4532
Kilometer Leitungskataster
237
Brunnen: 139 Brunnen im städtischen Eigentum
98 Brunnen im privaten Eigentum
7859
öffentliche Veloabstellplätze
(an rund 351 Standorten)
124
Spielplätze
859
Abfallkübel
Was will die Stadt Luzern digitalisieren?
Die Stadt Luzern betont bei ihrer digitalen Transformation besonders die Aspekte Gesellschaft und Arbeitswelt. Sie definierte in einem ersten Schritt vier Fokusbereiche:
→ E-Government
→ Open Government Data
→ Smart City
→ Work Smart
Jeder der vier benannten Fokusbereiche enthält verschiedene Wirkungsziele, bei denen der Mensch in den Mittelpunkt gestellt wird. Wie diese Ziele erreicht werden sollen, definiert die Roadmap Digitales mit ihren zahlreichen Projekten und Massnahmen. Diese verteilen sich auf die Bereiche
…der Basisinfrastruktur (zum Beispiel die Ausstattung der Stadtverwaltung mit bedarfsgerechtem WLAN),
…der unterstützenden Massnahmen (zum Beispiel zum Thema digitale Sicherheit und Privatsphäre),
…der konkreten Projekte und Massnahmen im Fokusbereich (zum Beispiel der Aufbau einer Open-Government-Plattform) und
…der übergreifenden Führungs- und Steuerungsmassnahmen.
Dabei sollen nicht einzelne Digitalisierungsprojekte im Vordergrund stehen, sondern es soll vielmehr eine gesamtheitliche sowie strategisch ausgerichtete und vernetzte digitale Transformation gestaltet werden, wie dies in der Strategie für ein «Smartes Luzern» festgehalten ist. Diese steht im Einklang mit der übergeordneten Stadtentwicklung.
Die umfassende Strategie beinhaltet eine Bestandsanalyse sowie eine Kostenaufstellung aller geplanten Investitionen mit den Folgekosten.
Mehr unter:
stadtluzern.ch/aktuelles/newslist/1352167
Smartes Luzern – YouTube
www.youtube.com/watch?v=_y62xAu0jOs